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Heinrich Ludwig (Ludwig)
Veröffentlicht am Dienstag, 25. Januar 2005 - 19:46 Uhr:   

Dynamische Geometrieprogramme und auch EUKLID wurden im Lauf ihrer Entwicklung zunehmend mit "algebraischen" Fähigkeiten ausgestattet. Genauer gesagt: Zu den traditionell geometrischen Funktionen, wie etwa der Konstruktion einer Mittelsenkrechten, gesellten sich solche, die Zahlen als Argumente akzeptieren. EUKLID realisiert numerische Funktionalität mit Hilfe von Termobjekten und der Fähigkeit, Terme als Werte für Koordinaten und Streckenlängen zu verarbeiten. Da geometrisches Konstruieren als funktionales Programmieren verstanden werden kann, kann man numerische Funktionalität als eine natürliche Erweiterung eines Geometrieprogramms betrachten.

Genauso wie beim Programmieren in einer der bekannten Programmiersprachen stellt sich auch beim geometrischen Programmieren die Frage nach einem guten Programmierstil. Ein Beispiel: Um zu einem gegebenen Kreis k1 einen konzentrischen Kreis k2 mit doppeltem Radius zu konstruieren, kann man die Radiusverdopplung mit einem Hilfskreis realisieren. Man kann aber auch den Radius von k1 messen, numerisch verdoppeln und das Ergebnis als Radius für k2 verwenden. In diesem Fall mißachtet man nicht die Beschränkungen des klassischen Konstruierens, weil sich rationale Vielfache einer Streckenlänge auch klassisch konstruieren lassen. Aber nicht jedes rationale Vielfache jeden Winkels ist konstruierbar. Es liegt also in der Hand des Programmierers, die Regeln des Zirkel-und-Lineal-Konstruierens einzuhalten. Die Möglichkeiten des Programms gehen mittlerweile darüber hinaus.

Ich will an dieser Stelle keine Diskussion entfachen, ob was guter Konstruktionsstil (=Programmierstil) sein sollte oder welche Vorkehrungen man treffen muß, damit Schüler die Grenzen des klassischen Konstruierens einhalten angesichts der Verlockungen numerischer Funktionalität. Die Diskussionen darüber werden schon längst andernorts geführt worden sein. Ich würde nur gerne zwei Fragen stellen:

1. Hat das numerische Vorgehen Geschwindigkeits- oder Genauigkeitsvorteile gegenüber einer Konstruktion? Ich nehme an, daß das so ist.
2. Sicher gibt es Literatur über "guten Konstruktionsstil". Wer könnte mir Hinweise geben?

H. Ludwig
 

Roland Mechling (Mechling)
Veröffentlicht am Sonntag, 30. Januar 2005 - 12:36 Uhr:   

Offenbar will sich bisher niemand auf diese Diskussion einlassen. Schade eigentlich. Damit Herrn Ludwigs Anstoß nun aber nicht ganz resonanzlos im Raum stehen bleibt, liefere ich hier mal meine Sicht der Dinge.

1. In der Tat ist die Berechnung eines Kreises mit doppeltem Radius einfacher, schneller und wohl auch genauer, wenn man den alten Radiuswert einfach verdoppelt statt eine ganze geometrische Konstruktion mit einigen Zwischenobjekten nachzurechnen. Allerdings erscheinen mir diese technischen Argumente hier eher fehl am Platz: auf einem einigermaßen modernen Rechner werden diese Genauigkeits- und Geschwindigkeitsunterschiede in aller Regel kaum jemals sichtbare Folgen haben.

2. Was "guter Konstruktionsstil" ist, hängt entscheidend davon ab, was ich erreichen will. Am Anfang steht dabei stets die Entscheidung über die zugelassenen Werkzeuge. Mit der Wahl dieser Werkzeuge ist dann auch der Horizont der lösbaren Probleme abgesteckt. So ist mit der Beschränkung auf Zirkel und Lineal die allgemeine Winkeldrittelung eben ein unlösbares Problem, weil dazu Punkte gebraucht werden, deren Koordinaten in keinem quadratischen Erweiterungskörper über Q² liegen, die also daher nicht mit Zirkel und Lineal konstruierbar sind. Der algebraische Ansatz deckt hingegen den ganzen R² als Koordinatenraum ab - und dann läßt sich auch jeder Winkel dritteln! Bei Beschränkung auf Zirkel und Lineal muss das algebraische Vorgehen aber als "Mogelei" gewertet werden.

Warum die Frage nach dem "guten Konstruktionsstil" eine zu offene Frage ist als dass man sie so einfach beantworten könnte, kann man z.B. bei der Lektüre des schönen Buches über "Geometric constructions" von George E. Martin lernen. Dort wird das Thema "Wie weit komme ich mit welchem Werkzeug?" in aller Ausführlichkeit behandelt.

In der gegenwärtigen didaktischen Diskussion wird üblicherweise die weitestgehende Verzahnung von Geometrie und Algebra gefordert. Das klassische Ideal der "reinen" (also "Zirkel-und Lineal-") Konstruktion gerät dadurch mehr und mehr aus dem Blickfeld. Entgegen der didaktischen Forderung nach "Regeometrisierung der Schulgeometrie" (Prof. Schupp in seinem Buch über "Kegelschnitte") ist in der täglichen Unterrichtspraxis aber eher eine weitere Abkehr von schwierigeren geometrischen Fragen zu konstatieren (schon rein aus Zeitgründen!), und oft ist sogar die "geometrische Grundversorgung" unserer Schüler gefährdet. In dieser Situation erscheint mir die Frage nach "gutem Konstruktionsstil" zwar interessant, aber leider wenig unterrichtsrelevant. In welchem Umfang die genauen Zusammenhänge zwischen Geometrie und Algebra eigentlich im Schulunterricht behandelbar sind, ist für mich eine offene Frage.
 

Günter Wahl (Gwahl)
Veröffentlicht am Dienstag, 03. Mai 2005 - 16:09 Uhr:   

Ich möchte nur ganz kurz darauf hinweisen, dass die meisten Konstruktionsaufgaben in den Mathematikbüchern sowohl Winkel als auch Streckenmaße enthalten. Also benötigt man ein Programm, das auch Zahleneingaben erlaubt, wenn man Aufgaben aus dem Buch konstruieren lassen will. Insofern ist die Frage, was zur Zirkel- und Lineal-Geometrie gehört, doch recht akademisch.
Ich persönlich erlaube meinen Schülern auch in der Unterrichtspraxis eine Erweiterung auf Zirkel- Lineal- und Geodreieck-Geometrie. Ich denke es ist vertretbar, Strecken mit dem Geodreieck zu halbieren oder damit Lotgeraden zu zeichnen, wenn immer wieder mal der Hinweis kommt, dass man mit einem größeren Aufwand an Hilfslinien die Konstruktionen auch mit ZuL alleine lösen kann. Meistens ist es doch so, dass die Vielzahl der Hilfslinien irgendwann den Gesamtzusammenhang überdeckt.
Für spezielle Aufgaben kann man ja auch die Werkzeuge von DynaGeo bewusst einschränken.

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